1919
Deutschland ist ohne Kaiser. Wilhelm II. hat ein Jahr zuvor, im letzten Kriegsjahr, abgedankt. Das Deutsche Reich wird durch die Weimarer Verfassung zu einer Parlamentarischen Republik, ihr vorläufiger Reichspräsident heißt Friedrich Ebert. Die Folgen des Ersten Weltkrieges knebeln die Menschen in Deutschland: Nahezu unvorstellbare Reparationen besiegeln den wirtschaftlichen Niedergang der Republik.
Am 2. März des ersten Nachkriegsjahres wählen die Hildesheimer ihr Stadtparlament. Oberbürgermeister Dr. Ehrlicher appelliert in einer ersten Sitzung an die Bürgervertreter: „Lassen Sie uns heute an dieser Stätte unsere Arbeit beginnen, dass wir geloben, das Trennende zurückzustellen…“ Ein Neuanfang für das „Nürnberg des Nordens“.
Elberfeld, ein Stadtteil Wuppertals. Dort beginnt der junge Friedrich Arnold seine Tätigkeit als selbständiger Graveur. Im selben Jahr noch verlegt er seinen Standort nach Hildesheim, der Ort, den er bereits vor dem Ersten Weltkrieg kennen und schätzen gelernt hatte. Kein leichter Neubeginn, denn die Menschen halten ihr Geld zusammen, die Inflation zeigt schlimme Folgen. Friedrich Arnold liefert Handgravuren, fertigt Messingstempel, handelt mit Gummistempeln und Stempelwaren. Außerdem erstellt er Schablonen und Schilder.
In der Eckemekerstraße 1, neben der „Alten Münze“ baut der junge Geschäftsmann voller Zuversicht beharrlich seine Gravieranstalt mit dazugehörigem Ladengeschäft auf. Dabei lässt er sich nicht entmutigen. Genug hat der damals 28-Jährige in seinen drei Lebensjahrzehnten erleben müssen.
Als Friedrich Arnold am 3. Februar 1891 in Elberfeld geboren wird, entdeckt Otto Lilienthal gerade die Grundgesetze der Fliegerei. In der Wuppertaler Firma Adam Donner erlernt Friedrich Arnold den Beruf des Graveurs. Bereits in jungen Jahren sammelt er dann Berufserfahrung in anderen Städten Deutschlands.
Der 1. Weltkrieg setzt dem beruflichen Wirken Arnolds ein jähes Ende. 1914, im ersten Kriegsjahr, wird er zum Militär eingezogen. Eine schwere Verwundung raubt ihm im Herbst 1915 sein rechtes Augenlicht. Für einen Graveur, der auf dreidimensionales Sehen angewiesen ist, eine schwere Beeinträchtigung bei der Berufsausübung.
Ein längerer Krankenhausaufenthalt, Spätfolge der schweren Kriegsverwundung wirft Friedrich Arnold dann nach der Firmengründung in Hildesheim zurück. Seine Frau Paula erweist sich als entscheidende Kraft. Die junge Frau übernimmt in der Zeit des Krankenlagers ihres Mannes die alleinige Geschäftsführung, hält in diesen auch politisch schweren Monaten den Betrieb am Leben.
1929
Hildesheim, preußische Provinzstadt an der Innerste, stützt seine Wirtschaftskraft vorwiegend auf Betriebe mittlerer Größe im Familienbesitz. Es gibt noch Schneider, Böttcher, Schmiede – und mehr als 100 Schuhmacher in der Stadt. Der Schwarze Freitag im Oktober 1929 an der New Yorker Börse erschüttert auch, dass durch Reparationen wirtschaftlich geschwächte, Deutschland.
Nur durch die geschickte Geschäftsführung und konsequente Anpassung an die Bedürfnisse des Marktes hält Friedrich Arnold mit seiner Frau Paula die Gravieranstalt und das Ladengeschäft am Leben. Mutig gehen die beiden noch einen Schritt weiter. In der Schuhstraße 6, gegenüber der heutigen Andreaspassage, bieten sich passendere Geschäftsräume an als in der Eckemekerstraße, dort musste die Produktion unter beengten Verhältnissen stattfinden.
Gravieranstalt und Ladengeschäft ziehen in die Schuhstraße um. Dort beginnt Friedrich Arnold auch mit einer eigenen Gummistempelherstellung. Dadurch entstand so langsam der Name Stempel Arnold, wie auch in einer Anzeige bei der Zeitung zu sehen ist.
1938
Mit der bei Gewerbetreibenden damals üblichen Zurückhaltung, registriert Friedrich Arnold einen Erfolgskurs seines kleinen, inzwischen fest in Hildesheim etablierten, Familienbetriebes. Bald reichen deshalb die Räume in der Schuhstraße nicht aus.
In diesem Jahr findet Friedrich Arnold einige Häuser weiter, in der Schuhstraße 11, die erforderlichen Räumlichkeiten für Produktion und Verkauf. Der Betrieb zieht wieder um. Die Gravurarbeiten sind in diesen Jahren noch überwiegend Handarbeit. Mechanische Hilfen werden dagegen bei der Stempelherstellung eingesetzt.
Deutschland erlebt politisch dunkle Zeiten. 1939 führt das Naziregime in den unheilvollen 2. Weltkrieg. Der 22. März 1945, ein Donnerstag, wird zum Schicksalstag für Hildesheim. Die Stadt versinkt zur Mittagszeit bei einem alliierten Bombenhagel in Schutt und Asche. Die meisten der 1500 Fachwerkhäuser in der Stadt werden zerstört. Auch die Firma Stempel-Arnold besteht zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
1947
Sohn Helmut steigt in den Betrieb mit ein. Schon vor der Einberufung zum Wehrdienst hat er bei der Firma Gerstenberg erfolgreich seine Gehilfenprüfung als Schriftsetzer abgeschlossen. „Das war meine Voraussetzung, um einmal den elterlichen Betrieb übernehmen zu können.“ Einen Lehrberuf für die Stempelfertigung gab es damals noch nicht, erinnert er sich.
Anfang 1950 gelingt der Umzug in eine freiwerdende Baracke in der Gartenstraße. Im November des selben Jahres schließt sich ein weiterer Umzug an: Firma Arnold eröffnet wieder in der Schuhstraße, dieses mal unter der Nr. 11. Der Betrieb wird bei dieser Gelegenheit modernisiert und technisch noch umfangreicher ausgestattet. Ein neue Vulkanisierpresse, eine zeitgerechte Ladeneinrichtung und kurz darauf auch eine moderne Präzisions-Graviermaschine sichern des Bestand der Firma für die nächste Zukunft.
Helmut Arnold besucht trotz der Aufbauarbeit den Lehrmeisterkurs für Schriftsetzer. Mit Erfolg legt er 1951 seine Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer Hildesheim ab.
1950
Noch immer ist der Wiederaufbau des zerstörten Hildesheims Hauptaufgabe der Menschen in der Stadt. Die geplante Marktplatzgestaltung lässt die Wogen hochgehen.
Handwerk, Heimatbund und Kulturring fordern den „kleinen Marktplatz“ und das Knochenhauer Amtshaus. Wer in größeren Dimensionen denkt, will die „große Lösung“, auch der Autoverkehr soll dabei seinen Platz finden, ebenso wie der Wochenmarkt.
Friedrich Arnold und seine Ehefrau Paula haben Jahre zuvor den Neuanfang gewagt. Ihre Privatwohnung in der Gartenstraße bleib trotz des Bombenhagels auf die Stadt unversehrt. Sohn Helmut, geboren 11. Mai 1923, befindet sich nach dem Krieg in den USA in Gefangenschaft.
1960
Nicht nur in West-Deutschland, auch andere Teile Europas erleben einen wachsenden Wohlstand, der Begriff der Überflussgesellschaft entsteht. Die Grundlagen für ein vereintes Europa sind durch die Gründung von EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) und EURATOM (Europäische Atomgemeinschaft) gelegt.
Die Neuverteilung des Reichtums kommt einer Sozialrevolution gleich. Auto und Fernsehapparat werden für viele erschwinglich. Die 60er Jahre sind ein unruhiges Jahrzehnt. Überall in der Welt, besonders im Hochschulbereich, demonstrieren junge Menschen für eine gerechte Verteilung des sozialen Besitzstandes.
Die Popgruppe Beatles beherscht musikalisch die 60er Jahre.
Die Hildesheimer ringen währenddessen noch immer um die Gestaltung ihres Marktplatzes – die schließlich ganz anders verlaufen sollte, als im September 1960 beschlossen.
Abermals fordert wachsende Nachfrage eine Vergrößerunge der Stempelfabrik und Gravieranstalt Arnold. Ein längerfristiger Mietvertrag sichert 1960 die Produktionsaufnahme in der Scheelenstraße 5. Dort bietet sich schließlich auch die Möglichkeit, gewerbliche Lehrlinge auszubilden, um kontinuierlich den beruflichen Nachwuchs zu sichern. Auch Ursel Arnold hat im Betrieb gearbeitet, sie graviert und ist im Verkauf tätig.
1969
In den nächsten Jahren wird Borussia Mönchengladbach mehrmals Deutscher Fußballmeister und ist hartnäckiger Konkurrent von Bayern München. Helmut Arnold mit seiner Frau Ursel übernimmt elterlichen Betrieb, im 50. Jahr des Bestehens der Firma. Aus Hildesheim werden die ersten Behörden abgezogen. Bergamt und Entschädigungsstelle. Eine avisierte Gebiets- und Verwaltungsreform lässte die Wogen hochschlagen.
Helmut Arnold baut seinen Betrieb unbeirrt aus. Mietet in der 1. Etage der Scheelenstraße 5 weitere Räume dazu. Ein Büro und für den Verkauf ein Präsentationszimmer mit einer ständigen Ausstellung von Pokalen und gravierten Sport- und Ehrenpreisen wird eingerichtet.
Gummistempel, Tür- und Firmenschilder und Gravuren jeglicher Art, hergestellt im eigenen Hause, festigen den Ruf des Unternehmens. Hinzu kommt der Handel mit allen einschlägigen Stempelwaren, Sportpreise, Pokale und Zinnwaren als Geschenkartikel. Lehrlinge, auch im kaufmännischen Bereich durchlaufen die Firma. „Stempel-Arnold“, wie man sich in den werblichen Aussagen kurz und prägnant bezeichnet, hat nach den Aufbaujahren wieder seinen festen Platz im Hildesheimer Wirtschaftsleben.
1978/79
Der harte Winter trifft halb Europa. Tage langer Sturm und wochenlanger Schneefall lässt die Menschen wieder zusammen rücken. Die Bundesrepublik hilft der DDR mit einer großen Lieferung Braunkohle.
1980
Die Politik zeigt wieder Kälte. Ost und West stehen sich mit ihren eigenen Meinungsbildern off ensichtlich unbeirrbar gegenüber. Umweltpolitik rückt in den Mittelpunkt. In Niedersachsen hat die Gebiets- und Verwaltungsreform gegriff en: Der Großkreis Hildesheim mit seinen rund 280.000 Einwohnern, ist entstanden. Die Kreisstadt Hildesheim wird nach zähem Ringe in der Landesplanung wieder als Oberzentrum eingestuft . „Stempel-Arnold“ expandiert. Firmenchef Helmut Arnold benötigt mehr Platz für die technische Fertigung. Er erwirbt die seit 1901 in Hildesheim bestehende Buchdruckerei Johannes Fikuart zum 1. Januar 1980. Der neue Fertigungsbetrieb liegt nur etwa 150 Meter vom Stammhaus der Arnolds entfernt.
Da das dortige Gebäude verkauft wurde, musste reagiert werden, denn einen neuen langfristigen Mietvertrag lehnte der neue Hausbesitzer ab. Somit hätte der Firma Arnold innerhalb eines Jahres gekündigt werden können. Das Haus hätte Helmut Arnold auch gekauft , jedoch wurde er leider nicht gefragt. Nach dem Kauf der Druckerei wird die gesamte Stempelfertigung von der Scheelenstraße 5 in die Rathausstraße 13 A gelegt.
Aber Helmut Arnold lässt die alt eingeführte Druckerei Fikuart nicht sterben, sondern führt sie unter ihrem bisherigen Namen weiter. Nach und nach wird der Betrieb modernisiert. Später verfügt er über zwei Off setmaschinen, aber auch noch über einen Buchdrucktiegel für die Drucksachenveredelung, zum Beispiel für die Papierprägung, Golddruck oder Stanzarbeiten. Die Setzregale mit den umfangreichen Bleisatzschrift en sind noch nicht alle abgebaut, aber die Satzherstellung erfolgt nur noch über zwei moderne DTP-Satzanlagen. Hildesheims „Puppenstube“, der rekonstruierte Marktplatz entsteht. Ein städtebauliches Kleinod freuen sich die einen, „Disneyland“ kritisieren die anderen. Trusthouse Forte, eine englische Hotelkette, kann im Oktober seinen Hotelneubau in Betrieb nehmen. 100 Millionen Mark wird der Aufb au des Marktplatzes im historischen Gewand schließlich kosten.
1988
Das ist das Jahr, in dem Michael Arnold als Juniorchef in die Firma eintritt. Der damals 26-jährige gelernte Offset- Drucker hat inzwischen seine Meisterprüfung abgelegt. Zusammen mit seinem Vater bringt er weiter innovative Impulse in die Firma. Mit Michael Arnold wird das Haus Arnold in dritter Generation das Lebenswerk von Großvater und Vater fortführen. Dem Junior obliegt die Leitung der Druckerei in der Rathausstraße.
Der anhaltende geschäftliche Erfolg erlaubt es schließlich, die vorher nur angemieteten Räume in der Scheelenstraße 5 käuflich zu erwerben: „Stempel-Arnold“ ist nun in den eigenen Geschäftsräumen tätig, Investitionen für die Zukunft sind damit leichter planbar.
1994
Ein vereintes Deutschland wählt erstmals gemeinsam seine 99 Vertreter zum Europaparlament. Die Hildesheimer wollen hoch hinaus; der 114 Meter hohe Andreas-Kirchturm soll eine Aussichtsplattform bekommen. Auch sucht die Bischofsstadt ihre Chancen bei der Expo, der Weltausstellung des Jahres 2000 in Hannover. Die Firma „Stempel-Arnold” feiert ihr 75-jähriges Jubiläum. In ihrer Branche ist die Firma in Hildesheim die älteste am Ort. Die Kunden des Familienbetriebes sind aber weit über Hildesheims Grenzen hinaus zu finden. Jahrzehntelange Spezialisierung und das Eingehen auf individuelle Kundenwünsche tragen Früchte. Seniorchef Helmut Arnold und Sohn Michael lassen keinen Zweifel daran: „Qualität ist unser oberster Grundsatz, denn dazu verpflichtet uns schon die Firmentradition.“
2007
Michael Arnold investiert wieder in neue technische Anlagen. Eine CNC-Fräsmaschine und ein Gravurlaser sind jetzt das modernste, was es auf dem Markt gibt. Somit können ganz neue Produkte und ausgefallene Kundenwünsche erfüllt werden. Die Beschriftung aller Gegenstände ist jetzt möglich. Besonders beliebt sind die Glasgravuren.
2010
Michael Arnold, mittlerweile alleinverantwortlich für die Firma, legt die Standorte Rathausstraße und Scheelenstraße zusammen. Der Garagenhof wird aufwendig ausgebaut und überdacht. Weitere 120 qm Betriebsfläche entstehen und vergrößern so die Gesamtfläche. Kundenwünsche können jetzt noch schneller und effektiver bearbeitet werden.
Außerdem wird die Firma Arnold zertifizierter GILDE-Händler und bietet jetzt Skulpturen und andere Design-Objekte an.
2014
Eine Photovoltaikanlage kommt aufs Dach. Firma Arnold produziert jetzt umweltfreundlich mit Sonnenlicht. Helmut Arnold, mittlerweile im betreuten Wohnen, schläft friedlich an einem Sonntagmorgen ein, so wie sich das für einen Geschäftsmann gehört.
2015
Der alte Verkaufsraum wird komplett entkernt und es entsteht ein moderner attraktiver Laden innerhalb weniger Wochen. So kommen die Produkte und Waren deutlich besser zur Geltung. Auch viele Kunden sind begeistert und loben diese Entwicklung.
Eine neue Maschine für die Druckplattenbelichtung wird angeschafft. Die CTP-Anlage ersetzt die alte Maschine. Die neue Anlage ist umweltfreundlich, belichtet die Platten und entwickelt ohne Chemie, also prozessfrei.
2019
Am 15. November 2019 feiern wir 100-jähriges Bestehen. Die Erfahrung von 100 Jahren soll unseren Kunden dienen. Ich möchte aber auch Dank sagen für die Treue, die sie uns zum Teil mehr als fünf Jahrzehnte gehalten haben. Dies zeigt mir, dass ich mit unserer Arbeit und unseren Produkten richtig liege. Das soll auch in Zukunft eine Verpflichtung sein.